Islands überwältigender Südosten

Der Südosten Islands wird dominiert vom größten Gletscher Europas, dem gewaltigen Vatnajöküll. Neben dem Dorf Kirkjubæjarklaustur an der Ringstraße gibt es lediglich vereinzelte Höfe. Landschaftlich ist der Abschnitt zwischen den Ortschaften Vik i Myrdal und Höfn überwältigend. Zerklüftete Bergketten, das größte Lavafeld der Welt, gigantische Gletschersanddeltas und Gletscherlagunen, in denen Eisberge in den schönsten Weiß- und Blautönen schwimmen.

Im September 2023 verbrachten wir drei Tage in der Region. Untergekommen in der sogar für isländische Verhältnisse dünn besiedelten Gegend, sind wir in einem Hostel. Auf Komfort mussten wir weitgehend verzichten. Gemeinschaftsküchen und -bäder erforderten Anpassungsfähigkeit. Das Publikum war sehr international. Im Speisesaal waren etliche Sprachen zu hören: englisch, chinesisch, tschechisch, spanisch, niederländisch. Die Lage des Hostels inmitten einer Fluss- und Seenlandschaft war traumhaft, und für uns perfekt, um den Südosten zu erkunden.

Canyon Fjaðrárgljúfur

Diesen ehemaligen Geheimtipp besuchten wir gleich am ersten Tag. Geheim ist an dem Canyon mittlerweile nichts mehr. Nachdem sich ein kanadischer Popsänger die Location für den Drehort eines Musikvideos aussuchte, wurde Fjaðrárgljúfur regelrecht überrannt und avancierte quasi zu einem Instagramstar. Die Schlucht musste sogar für zwei Jahre gesperrt werden, damit die Natur sich wieder erholen konnte. Heute trüben (leider unabdingbare) Absperrseile und künstlich angelegte Wege die natürliche Idylle. Ohne diese “Leitplanken” geht es jedoch nicht, da einfach zu viele unvernünftige und rücksichtslose Touristen unterwegs sind. Trotzdem ist der Canyon wunderschön und bietet atemberaubende Tiefblicke in eine gähnende Leere.

Gletscherflüsse des Vatnajökúll

Ich bin der Meinung, dass Flüsse nirgendwo schöner sind als in Island. Nahezu alle Flüsse werden dort vom Schmelzwasser der Gletscher gespeist. Durch die losen Untergründe aus Sand, Lavagestein und anderen mitgerissenen Sedimenten bilden sich oft keine definierten Flussbetten. Die Flüsse strömen vielmehr in vielen aufgefächerten Armen zum Meer. Am besten kann man diese Naturphänomene aus einer erhöhten Position bestaunen. Entweder von einem Berg aus oder mit Hilfe einer Drohne.

Nationalpark Skaftafjell

Unmittelbar südlich des größten europäischen Gletschers, dem Vatnajöküll, befindet sich der Nationalpark Skaftafell. Der Park ist bei Wanderern sehr beliebt. Er bietet ein weitverzweigtes Netz an Wanderwegen. Man kann z.B. auf den 1126 Meter hohen Kristinartindar wandern oder direkt an eine Gletscherzunge des Vatnajöküll. Unsere Rundtour führte uns allerdings zu einem der schönsten Wasserfälle des Landes, dem Svartifoss. Der Svartifoss (deutsch: schwarzer Wasserfall) hat seinen Namen von den schwarzen, orgelpfeifenähnlichen Basaltsäulen, welche die Felskante einrahmen, über die der Wasserfall hinabstürzt.

Durch den Schutz der Berghänge des Vatnajökúll ist das Klima im Nationalpark milder als an anderen Orten der Südküste. Die Birken wachsen dadurch höher, so dass es im Skaftafell teilweise eine Art “zarten Wald” gibt, ein für Island ungewöhnliches Bild.

Gletscherlagunen

Die Gletscherlagune Jökúlsárlon ist eine der Hauptattraktionen Islands. Dementsprechend hoch ist leider auch die Anzahl der Besucher, die täglich dorthin strömen. Doch den Jökúlsárlon muss man gesehen haben, wenn man in den Südosten Islands reist. Vom Breiðamerkur, einem Ableger des Vatnajöküll, brechen Eisblöcke ab und treiben in verschiedensten Größen und Formen im Wasser der Lagune. Die Eisblöcke schimmern in den schönsten Blautönen. Einige sind mit schwarzer Asche durchzogen, was ein Zeugnis früherer Vulkaneruptionen ist.

Die Eisblöcke treiben bis zu fünf Jahren in der Lagune, bevor sie irgendwann vom Jökulsá, dem kürzesten Fluss Islands, in den Atlantik befördert werden. Am nah gelegenen Strand werden einige kleinere Eisblöcke wieder an Land gespült. Dort schmelzen sie langsam dahin, hauchen ihr jahrtausendaltes Dasein aus und werden dem Kreislauf des Wassers zurückgeführt. Die glitzernden und klaren Eisfragmente auf dem schwarzen Lavasand haben dem Strand seinen Namen gegeben – Diamond Beach.

Weitaus weniger bekannt und dementsprechend weniger überlaufen ist die kleinere Gletscherlagune Fjallsarlon. Sie ist nur wenige Kilometer vom Jökúlsárlon entfernt und ist ebenfalls absolut sehenswert. Man kann durchaus mehrere Stunden an den Lagunen verbringen. Dem Treiben der Eisblöcke zuschauen, Robben beobachten und am Diamond Beach entlangschlendern.

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